von Klaus Röskens

Nachfolgender Artikel wurde in der Oktober Ausgabe 2008 (ZJJ 3/08) der Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe veröffentlicht.
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Tatkonfrontation:
Keine neue deutsche Härte, sondern sozialpädagogische Notwendigkeit

„Der heiße Stuhl tut weh! Er führte mich an meine Belastungsgrenze! Er zeigte mir meine Defizite und Widersprüche auf. Danach habe ich mich verändert. Zum einen Äußerlich im Auftreten, weil ich meine Haare habe wachsen lassen. Zum Anderen habe ich aber auch meine negative Einstellung zu Migranten reflektiert und eine andere, zivilere Position eingenommen. Diese neue Haltung brachte es mit sich, dass ich mir meinen Kopf nicht mehr kahl scheren musste.“

Solche und ähnliche Äußerungen hören wir von früheren Kursteilnehmern unserer Anti-Aggressivitäts-Trainings, wenn sie zum “heißen Stuhl“ und ihren Erinnerungen und Empfindungen dazu befragt werden. Er ist zentraler Bestandteil eines halbjährigen AAT® Kurses zur Behandlung von Gewalttätern. In der folgenden Abhandlung soll dieser zentrale Baustein des Anti-Aggressivitäts-Trainings® vorgestellt werden.

Der „heiße Stuhl“ lehnt die Tat ab, nicht aber den Täter. Zu ihm wurde in den etwa zehn Wochen zuvor in den wöchentlichen Treffen eine positive, vertrauensvolle Beziehung aufgebaut. Diese Beziehung lässt es zu, dem Kandidaten auf dem Stuhl sehr deutlich zu sagen, was man von seinen Rechtfertigungen und Entschuldigungen hält. Die scheinbare Ausweglosigkeit, die ausschließlich nur in die Gewalteskalation führen konnte, wird entlarvt als Bündel von Kränkungen, fehlgeschlagener Kommunikation oder blinder Wut. Meist steht seine Aggressivität im Gegensatz zu dem Menschen, den wir in den vorherigen Gruppenmeetings als einen verträglichen, zunehmend engagiert mitarbeitenden Teilnehmer kennen gelernt haben.

Klaus Röskens

Voraussetzungen zur Teilnahme an einem AATŪ

Das Düsseldorfer Anti-Aggressivitäts-Training ist konzipiert für eine Gruppe von acht heranwachsenden und erwachsenen männlichen Gewalttätern im Alter zwischen 18 und etwa 40 Jahren. Die Teilnehmer sind

- stimmungsabhängig und leicht reizbar,
- zeigen häufig und gerne gewalttätiges Verhalten – haben Spaß an Gewalt.
- Die Teilnehmer sehen die Gewalt als eine einfache, Erfolg versprechende und ökonomische Form von Konfliktlösung an und setzen Einschüchterung und Bedrohung gezielt ein, um Macht auszuüben.
- Sie sind wegen massiver und wiederholt begangener Gewaltverbrechen verurteilt und
- stellen in ihrer Person eine stets wiederkehrende Gewaltbereitschaft fest.

Unsere Zielgruppe sind erwachsene Personen aus dem Großraum Düsseldorf,

- die wegen strafbarer Gewalthandlungen zu einer Jugend- oder Freiheitsstrafe verurteilt worden sind,
- deren Strafvollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
- deren weitere Strafvollstreckung nach Teil- oder Vollverbüßung zur Bewährung ausgesetzt wurde,
- mit Zugangsregelung durch eine Weisung nach § 56 StGB oder § 23 JGG
- und die der Weisung zur Teilnahme an einem Anti-Aggressivitäts-Training zugestimmt haben.
- die bestrebt sind, sich mit ihren aggressionsauslösenden Faktoren und den sich hieraus entwickelnden Gewalttaten auseinanderzusetzen, um zukünftige Anwendung von Gewalt zu vermeiden. Sekundärmotivation, etwa durch Gerichtsauflage, wird hingenommen in der Erwartung, dass ich hieraus im Kursverlauf die aufgeführte primäre Veränderungsmotivation entwickelt.



Nicht für die Teilnahme an einem AAT® geeignet sind solche Personen,
- die suizidgefährdet sind,
- die an psychischen Erkrankungen leiden,
- bei denen Drogen- und/oder Alkoholmissbrauch im Vordergrund der Persönlichkeitsproblematik stehen,
- die bereits im Rahmen von organisierter Kriminalität tätig sind,
- die voraussichtlich intellektuell nicht der lerntheoretisch-kognitiv ausgerichteten Maßnahme folgen können.

Die Kursabende werden in jeweils drei Zeitstunden wöchentlich durchgeführt. Zu Beginn findet ein Eröffnungsblock von 6 Zeitstunden statt. Zum Abschluss der 1. Phase folgen ein weiterer Tagesblock und schließlich ein dritter zum Ende der Kompetenzphase am Schluss des Kurses. Insgesamt werden 78 Zeitstunden erreicht. Die Kursdauer erstreckt sich über etwa 5 -6 Monate.

Trainervorbereitung

Wir befinden uns in der konfrontativen Trainingsphase. Acht Trainingswochen liegen hinter uns und es wurde etwa 30 Stunden in der Gruppe gearbeitet.

Zwei Stunden vor dem abendlichen Kurs kommt das Trainerteam zusammen und bespricht den Kandidaten. Zum Team gehören die AAT®-Trainer und die Co-Trainer (in der Arbeit mit Gewalttätern erfahrene Sozialarbeiter). Unterstützt wird das Trainerteam in der Phase der „heißen Stühle“ durch Tutoren. Tutoren rekrutieren sich aus früheren Trainingskursen. Sie sind ehemalige Teilnehmer, die der Gewalt erkennbar und nachhaltig abgeschworen haben.

Es werden nun die in den vergangenen Wochen zusammengetragenen und vom Teilnehmer bearbeiteten Unterlagen durchgegangen. Ein Fragebogen zur Gewaltthematik, der Selbsteinschätzung, persönliche Einstellungen und Werte erfragt, sowie die Strafrechtsurteile dienen als Erkenntnisquelle. Und natürlich die Erlebnisse, die die Trainer und Co-Trainer in den Wochen zuvor während der Kurseinheiten mit ihm hatten. Gegensätze und Widersprüche werden herausgearbeitet mit dem Ziel, den Kandidaten später auf dem „heißen Stuhl“ danach zu Befragen. Einer der AAT®-Trainer bereitet sich auf das Interview des Kandidaten vor. Erste sich darstellende Widersprüchlichkeiten zum Tathergang werden in diesem Interview angesprochen werden.

Stärken, Schwächen, miese Tat

Nach der Begrüßung der gesamten Gruppe und der „Stimmungsrunde“ (Gruppenblitzlicht zu Aktuellem) folgt die Benennung des Kandidaten Er wusste bis zu diesem Zeitpunkt nicht, dass er heute auf den „heißen Stuhl“ kommt. Es führt ein Trainer mit ihm vor der Gruppe ein Interview. Die Teilnehmergruppe hat den Auftrag, das Interview zu beobachten. Dabei wird nicht nur auf das Gesagte, sondern auch gezielt auf Körperhaltung, Mimik und Gestik des Kandidaten geachtet.

Zu Beginn des Interviews wird der Teilnehmer nach einer kurzen Begrüßung und allgemeinen Fragen zum Befinden, gebeten, drei Stärken und drei Schwächen zu beschreiben. Mit interessierter und zugewandter Haltung hinterfragt der Trainer unklare Sachverhalte und Darstellungen. Die „miese Tat“ soll der Kandidat dann detailgetreu beschreiben, die Entwicklung, die zu dem Konflikt führte, die „miese Tat“ in ihren Einzelheiten und sein „nachtatliches“ Verhalten. Er wird schließlich aufgefordert, dass nach seiner Einschätzung Verwerfliche seiner Handlung zu schildern.

Wartezeit

Am Ende dieses etwa 10-minütigen Interviews wird der Kandidat gebeten, den Raum zu verlassen und andernorts darauf zu Warten, das er wieder hereingebeten wird. Die Gruppe bereitet in den nächsten etwa 30 Minuten seinen „heißen Stuhl“ vor. Die Wartezeit empfindet der Kandidat regelmäßig als belastend. Dazu im Nachhinein befragt, berichtet er, seine miese Tat und ihre Widersprüchlichkeiten bedacht zu haben. „Was werden die wohl über mich sprechen?“ „Und wie wird man mit mir verfahren?“ Meist legt sich der Kandidat eine Strategie zurecht, wie den zu erwartenden Anwürfen begegnet werden könnte.

Vorbereitung der Gruppe

Das Trainerteam informiert die Teilnehmergruppe über die in der Trainervorbereitung gewonnenen Informationen und Zusammenhänge. Auch die im Interview bekannt gewordenen Angaben und wahrgenommenen körpersprachlichen Eindrücke werden besprochen. Wieder werden Widersprüche zwischen Wertvorstellungen (z.B.: „Ich bin ein verantwortungsvoller Vater“) und realer Handlung (miese Tat) herausgearbeitet.

Nun werden Aufgaben verteilt:

- Ein Teilnehmer hat die Aufgabe, gezielt darauf zu achten, dass der Kandidat aufmerksam auf dem Stuhl sitzt. Wenn seine Konzentration und Anspannung nachlässt, wird er den Kandidaten auffordern, sich wieder „ordentlich“ – im Sinne von achtsam - hinzusetzen.
- Ein weiterer Teilnehmer achtet gezielt auf körpersprachliche Ausdrucksformen und sich hieraus möglicherweise ergebende Gegensätze zu seinen verbalen Äußerungen.
- Es werden Themata verteilt: Zum Beispiel wird gefragt, wie er seine Rolle als männlicher Beschützer der Familie ausüben will, wenn er wegen seiner Tat eine Haftstrafe zu verbüßen hat. Oder aber wie es sich mit seiner offensiv vorgetragenen Verantwortung als Vater verträgt, wenn er vor den Augen des Kindes dessen Mutter schlägt.
Die Fragestellungen werden kurz und prägnant sein. Der Kandidat soll sich erklären müssen und nicht die Teilnehmer ihre Sicht der Dinge darstellen.
- Schließlich wird vereinbart, wer den Stuhl mit welcher Frage einleitet.

Regelwerk

Der Kandidat wird hereingebeten und aufgefordert, auf dem freien Stuhl im Stuhlkreis Platz zu nehmen.

Ein Trainer erklärt ihm die Regeln:

- Grundsätzlich arbeiten wir mit einem non-touch-Programm. Der Kandidat wird nicht übergrifflich berührt, provozierend gestreichelt oder sonst wie körperlich beeinträchtigt werden.
- Wir werden allerdings eine intensive verbale Auseinandersetzung führen. Wenn es ihm zu viel werden sollte und er das Gefühl hat, gleich zu explodieren, kann er den „Stuhl“ mit dem Time-out Handzeichen abbrechen.
- Diese Möglichkeit haben auch die Trainer, wenn sie ihrerseits das Gefühl haben, der Kandidat überfordert sich.
- Nach einem Time-out Handzeichen rückt die Gruppe auseinander und der Kandidat verlässt den Raum. Er wird dann von einem Trainer begleitet. Er beobachtet den Kandidaten und steht ihm als Gesprächspartner zur Verfügung.
- Eine weitere Regel ist die Vereinbarung, dass der Kandidat nach Ende des „heißen Stuhls“, zunächst ohne weitere Erläuterungen, einem Mitglied der Gruppe ein „Plus“ und einem weiteren Gruppenmitglied ein „Minus“ gibt. Hierdurch erhält er die Möglichkeit, seinen Empfindungen spontan Ausdruck zu geben.

Der "heiße Stuhl"

Wenn der Kandidat erklärt die Regeln verstanden zu haben, beginnt der „heiße Stuhl“ damit, dass die gesamte Gruppe im Stuhlkreis zusammenrückt. Dem Kandidaten wird buchstäblich auf die „Pelle“ gerückt. Körperliche Nähe soll hergestellt werden. Wie zuvor besprochen, eröffnet ein Teilnehmer den „heißen Stuhl“ mit seiner Frage. Schnell entwickelt sich eine rasche Abfolge von Fragen und Antworten. Der Kandidat wird gelegentlich eine Rückfrage stellen, die jedoch nicht zugelassen werden wird. Er säße auf dem „heißen Stuhl“ und solle Antworten geben!

Seine Antworten und darin enthaltene Rechtfertigungsversuche und Verharmlosungen werden aufgegriffen, Verniedlichungen werden mit geradezu chirurgischer Präzision seziert und auf diese Weise ad absurdum geführt. Die immer wiederkehrenden Widersprüche werden schnell überdeutlich aufgedeckt. Die geschilderte Gewalteskalation wird nicht hingenommen, mit broken home Biographie und missglückter Schulkarriere erklärt, entschuldigt und so womöglich in ihrer Verwerflichkeit abgeschwächt und relativiert. Dennoch erlebt der Kandidat diese intensive Form der Auseinandersetzung, trotz ihrer kritisierenden und hinterfragenden Art, regelmäßig persönlichkeitsstärkend. Er fühlt sich angenommen auf dem „heißen Stuhl“.

Die Teilnehmer bemühen sich um den Kandidaten, nehmen ihn ernst und setzen sich auseinander. Diese Gruppenerfahrung wirkt sehr positiv auf den Kandidaten und fördert seine Veränderungsbereitschaft. In seiner peer-group erlebt er meist Zustimmung und Verständnis für seine Einstellungen. Im AAT® erfährt er hingegen Widerstand und sieht sich und seine fundamentalen Handlungsweisen einem konstruktiv kritischen Diskurs ausgesetzt.

Es dauert etwa eine Stunde, bis der Kandidat auch innerlich versteht, was die Gruppe von ihm erwartet: Nämlich fortan ein Leben ohne Gewaltanwendung, ohne Entschuldigungen und ohne Rechtfertigungsversuche zu führen. Gewaltanwendung ist in unserer Gesellschaft nur in engen Grenzen legitimiert. Die Kandidaten sollen lernen, dass es immer die Möglichkeit des friedfertigen Lösungsversuchs gibt. Dazu gehört es, schon die Anbahnung von Konflikten zu erspüren oder aber auch einen entstandenen Konflikt zu begrenzen und ihm aus zu weichen. Das bedeutet keinesfalls, den Kürzeren zu ziehen und seine legitimen Interessen nicht durchsetzen zu können. Es bedeutet allerdings, Gewaltanwendung zukünftig als primitive Verhaltensweise ein zu ordnen und andere Arten einer Konfliktlösungen an zu streben.

Ein AAT®-Trainer beendet den „heißen Stuhl“, wenn er das Gefühl hat, den Kandidaten erreicht zu haben oder ihn in dieser Sitzung nicht tiefer erreichen zu können. Der Kandidat wird nun aufgefordert, sein „Plus“ und „Minus“ zu vergeben. Meist wird das „Plus“ jenem Teilnehmer gegeben, welcher die Widersprüche und argumentativen Verstrickungen des Kandidaten am treffendsten aufdeckte. Dasjenige Gruppenmitglied, was beim Kandidaten am engagiertesten und intensivsten „nachbohrte“ wird nach Abschluss der „heißen Stuhls“ regelmäßig in seiner Arbeit und seinem Engagement durch diese positive Rückmeldung bestärkt. Das „Minus“ erhält hingegen der sog. „Schläfer“, nämlich derjenige, der den Kandidaten am meisten schonte. Die Gruppe öffnet den Stuhlkreis und beklatscht erleichtert den Kandidaten und die Gruppenleistung. Ein „heißer Stuhl“ ist für die Gruppenteilnehmer und Teamer meist sehr anstrengend und man ist gemeinsam froh, es geschafft zu haben.

Nachgespräch

Die Gruppe sitzt im lockeren Stuhlkreis. Der Kandidat wird gefragt, wie er seinen „heißen Stuhl“ empfunden hat und wie er sich fühlt. Er mag sein Plus und Minus erläutern. Nun werden die Teilnehmer in Form eines Blitzlichts befragt, wie sie den „heißen Stuhl“ und den Kandidaten erlebt haben.

Am nächsten Kurstreff werden die Erlebnisse und Erkenntnisse des Kandidaten am Abend und in den Tagen nach dem „heißen Stuhl“ zu Beginn der Trainingseinheit in der „Stimmungsrunde“ nochmals gezielt nachgefragt werden.

Auf dem „heißen Stuhl“ nähert sich der Teilnehmer seiner psychischen Belastungsgrenze und erweitert diese Grenze. Ihr kurzzeitiges Erreichen bringt den Kandidaten nahe an seine individuelle Problematik und meist auch an deren Lösung oder zumindest Handhabung heran. Die Verwerflichkeit seines aggressiv-destruktiven Verhaltens liegt auf der Hand und wird dem Kandidaten auf dem „heißen Stuhl“ gespiegelt. Diese Gradlinigkeit macht den „heißen Stuhl“ so kraftvoll und im Gesamtzusammenhang mit den anderen Trainingselementen effektiv. Der Kandidat wird mit seinen Werten konfrontiert und er wird auf die Widersprüchlichkeit seines Verhaltens hingewiesen. Dabei ist es wichtig, dass dem Kandidaten alternative Sichtweisen aufgezeigt werden. Denkrichtungen nämlich, wie etwa die mögliche Sichtweise seines Opfers, die er als Täter zuvor in der Regel nicht einmal ansatzweise in sein Kalkül zog. Darin liegt die Erweiterung seiner Handlungsvorstellungen und Handlungsmöglichkeiten begründet.

Gruppensetting

Die Teilnehmergruppe wird nach den verschiedenen „heißen Stühlen“ zu einem Team und dabei in der Anwendung der Methode von mal zu mal aufeinander eingespielter. So wird die Frage eines Gruppenmitglieds, deren Beantwortung im schnellen Austausch unterzugehen droht, von einem anderen Gruppenmitglied aufgenommen und erneut gestellt. Das stärkt das Gruppengefühl, gemeinsam etwas zu leisten und voranzutreiben. Wenn der Kandidat einen „heißen Stuhl“ verlässt, hat er ein Erfolgserlebnis. Es wird ihm von seinen Konfronteuren gratuliert und seine Leistung wird beklatscht. Analog einer sportlichen Betätigung ist er erschöpft, aber auch zufrieden. Das gibt ihm Selbstvertrauen, seine neu gewonnenen Erkenntnisse um zu setzen.

Der Rolle der Tutoren kommt auf den „heißen Stühlen“ eine besonders wichtige Bedeutung zu. Besser noch als erfahrene Trainer verstehen sie die Denkweise des Kandidaten. Sie konfrontieren ihn im milieutypischen Slang gerade heraus und helfen ihm dadurch, neue Sichtweisen einzunehmen. Auch beherrschen die Tutoren die Ausdruckssprache der Kleidung, der Mimik und Gestik perfekter als die Trainer. Die Tutoren dienen den Teilnehmern als positive Vorbilder. Banduras Modelllernen ist sehr gut zu beobachten. Als jene nämlich, die dem Gewalttäter beweisen, dass man sich in unserer Gesellschaft auch als ehemaliger Täter Gutes erarbeiten kann. Unsere Tutoren sind zu Recht stolz darauf, bei sehr Sinnvollem ihr Teil beizusteuern: Bei der Arbeit an der Persönlichkeitsentwicklung der Teilnehmer und mittelbar, bei der Vermeidung neuer Opfer.

Fazit

Eingebettet ist die Arbeitsphase der „heißen Stühle“ zwischen denen der „Biographiearbeit“ und der „Kompetenzphase“. In den nachfolgenden Kursabenden werden die Teilnehmer mit Tatverletzungen und Opferfolgen bekannt gemacht. Es wird Opferempathie erarbeitet, ein Entschuldigungsbrief verfasst und der Gruppe vorgetragen.

Weiterhin beschäftigen wir uns in den verschiedenen Trainingsphasen in spezifischen Modulen mit kommunikationstheoretischen Erkenntnissen, der Entstehung von Konflikten, moralischen Denkansätzen, der Wirkung von Alkohol und den Trinkgewohnheiten der Teilnehmer in Verbindung mit ihrem auffälligen Verhalten. Kognitive Verzerrungen und Methoden des Stressmanagements werden ebenso erarbeitet, wie Kontakt- und Kommunikationstraining eingeübt wird. In den intensiven Tagesveranstaltungen werden Konfliktvermeidungsszenarien erarbeitet und schließlich eine individuelle Rückfallprävention für jeden Teilnehmer erstellt.

Dies alles führt über den zeitlich ausgedehnten Zeitraum von einem halben Jahr bei überdurchschnittlich vielen Probanden zu einer nachhaltigen Einstellungs- und Verhaltensänderung. Der „heiße Stuhl“ ist durchaus das zentrale Trainingselement unserer Kurse. Er findet seine Berechtigung und entfaltet seine Effizienz allerdings nur im Zusammenwirken mit den anderen Kursteilen. Die nachhaltige Einstellungs- und Verhaltensänderung wird über den gesamten 6-monatigen Trainingsverlauf vorbereitet, eingeübt und manifestiert. Die in Filmproduktionen oft isoliert betrachtete Darstellung der „heißen Stühle“ entbehrt in so fern der Wirklichkeit des wesentlich komplexeren Verlaufs eines Anti-Aggressivitäts-Trainings.

Klaus Röskens (Dipl. Sozialpädagoge) ist Bewährungshelfer und bietet seit 2006 als AAT®-Trainer für den Verein für Bewährungshilfe e.V. in Düsseldorf entsprechende Kurse an.


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